Was ist Mobility-Training und weshalb solltest Du damit beginnen, wenn Du Calisthenics betreibst?
Mobility bedeutet, sich über den größtmöglichen AKTIVEN Bewegungsradius der Gelenke bewegen zu können. Das heißt, es geht darum, an jeder Stelle der Bewegung maximale Kontrolle über seine Gelenke zu haben.
Was bringt Mobility für Vorteile mit sich?
Das Mobility-Training verbessert unter anderem deine Fähigkeit, unterschiedliche Gelenkstellungen durch die eigene Muskelkraft einzunehmen. Das bedeutet, nicht passiv in eine Dehnung zu gehen, sondern Kraft und Kontrolle in der Beweglichkeit zu entwickeln. Eine zu große Diskrepanz zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit kann das Verletzungsrisiko erhöhen und führt oft zu typischen „Kraftsportler-Beschwerden“. Das Ziel ist also eine bessere Artikulation der Gelenke und Bewegungen untereinander.
Was hat Mobility mit deinen Schultern und Calisthenics zu tun?
Wie wir alle wissen, bedeutet Calisthenics sinngemäß „Die schöne Kraft“. Deshalb achtest Du bestimmt immer auf eine gute Technik und trainierst geile Skills. Damit das Ganze aber nicht nur aus roher Gewalt besteht, sondern auch eine schöne Form hat, macht es total Sinn auf die Ästhetik der Skills zu achten. Zum Beispiel eine schöne Linie beim Handstand, um den Handstand-Pushup noch schöner aussehen zu lassen.
Klar, macht es erstmal mehr Spaß, schwere Gewichte zu bewegen und brutale Kraft aufzubauen. Dennoch solltest du darauf achten, dass deine Beweglichkeit zumindest nicht geringer wird und vor allem, dass deine aktive Beweglichkeit die volle Range of Motion der Übung zulässt. Gerade bei HSPU, Military Press oder ähnlichen Überkopfübungen solltest du in der Schulter beweglich genug sein, um im Stand mit geradem Rücken deine Arme gestreckt über deinen Kopf bringen zu können, ohne in der Hüfte auszuweichen. Außerdem sollte auch die nötige Stabilität in den Schulterblättern vorhanden sein, um dich in der jeweiligen Position zu halten.
Wie kannst Du Mobility in deinen Schultern aufbauen?
Klar, Du könntest die Schultern einfach passiv “aufdehnen” und Länge erzeugen. Das würde dich aber nur bedingt deinem Ziel näher bringen. Deshalb solltest Du darauf achten, die neu erlangte Position bewusst ansteuern zu können. Das heißt, schnapp dir ein leichtes Gewicht und baue in dieser Position Kraft auf. Das erreichst Du, indem Du entweder mehrere Wiederholungen in diese Position hinein machst oder einmal die Position einnimmst und diese statisch hältst. Oft sind geringe Gewichte (2-10kg) ausreichend, da der Hebel meist immens ist und Du wahrscheinlich in der neu erreichten Position noch nicht deine maximale Kraft besitzt. Durch diese End-Range Strength verbesserst Du automatisch auch deine passive Beweglichkeit. Allerdings funktioniert dieser Effekt nicht umgekehrt – du kannst also nicht durch das Trainieren deiner passiven Beweglichkeit deine End-Range Strength verbessern.
Worauf solltest du dabei achten?
Wie bei jedem Training solltest Du dich gut warm machen, z.B. mit “CARs – controlled articular rotations.” Dadurch bewegst Du dein Gelenk schonmal aktiv in den dir möglichen Bewegungsamplituden und erwärmst diese dadurch. Auch beim Mobility-Training ist kein Platz für dein Ego, gerade wenn Du zum Beispiel „nur“ 2kg benutzt. Da Du dich meist in einer Range bewegst, die für deinen Körper neu ist, solltest Du erstmal die Bewegung erlernen und dann Stück für Stück das Gewicht erhöhen.
Generell kann man sagen, dass eine Außenrotation der Schulter bei Pull und Push die gesündere Variante ist und die Innenrotation eher zu Verletzungen führen kann. Leider ist das aber die Position, in der sich die meisten Menschen aufhalten und die im Training eingenommen wird, sobald eine Übung schwer wird und die Kontrolle nachlässt. Aus diesem Grund gilt es, in deinem Training extra Assistenzübungen einzubauen, die eine Außenrotation der Schulter forciert.
Worauf Du bei den Schulterblättern achten solltest!
Deine Schulterblätter sind die stärkste und stabilste Verbindung deiner Arme zum restlichen Körper. Das Schultergelenk und das Schlüsselbein ermöglichen jede Bewegung, während die Stabilität durch die Schulterblattanbindung zum Brustkorb erzeugt wird.
Dein Schulterblatt sollte frei „gleiten“ können. Hierfür kannst Du das klassische Schulterkreisen nutzen. Beim Schulterkreisen sollten die Arme nicht nur seitlich neben dem Körper kreisen, sondern auch in verschiedenen Gelenkwinkelstellungen der Schulter. Zum Beispiel parallel zum Boden oder über Kopf – hierbei jedoch nicht ganz einen 180° Winkel, sondern lieber ein bisschen weniger, da sonst der Oberarm am Schulterdach anstoßen könnte, während Du deine Schulterblätter in einer Depression hältst. Die Belastungsrichtung sollte bei Zeiten verändert werden, damit Die Schulter in verschiedenen Positionen unter Belastung arbeiten kann. Dazu könnte das Schulterkreisen im Stand, im Stütz, im Hang oder aus dem Support Hold heraus gemacht werden.
Sollte deine Schulter während den CARs etwas knirschen oder ähnliche Geräusche von sich geben, dann kann dies ein Anzeichen dafür sein, dass dort „Verklebungen“ oder Verhärtungen der Muskulatur oder der faszialen Struktur vorhanden sind. Sollte dies bei dir vorkommen, würde es sehr viel Sinn machen, CARs in dein Training einzubauen. Ein weiteres Tool, um deine Schulter geschmeidiger zu machen sind Shoulder Dislocations.
Dafür nimmst Du einen Stab (wahlweise Band) und hältst ihn mit gestreckten Armen vor deinem Körper. Achte darauf, dass deine Handflächen nach unten zeigen und deine Arme gestreckt sind. Im nächsten Schritt führst du deine gestreckten Arme über den Kopf hinter deinen Rücken und wieder zurück. Hierbei empfehle ich dir, den Stock oder das Band erst einmal etwas breiter zu greifen und im Laufe der Übung den Griff etwas enger zu wählen.
Schulter-Mobility im Calisthenics
Natürlich haben wir auch hier unsere CARs zur Verfügung, zum Beispiel Arme kreisen oder den Arm in der Schulter rotieren. Das kannst Du gerne auch kombinieren und beim Armkreisen eine Rotation einbauen. Wenn all das schmerzfrei und kontrolliert funktioniert wird es sehr interessant für dich. An diesem Punkt macht es Sinn, gezielt an deiner Mobility zu arbeiten und deine End-Range zu erweitern.
Zu beginn konzentrieren wir uns auf die 4 Grundrichtungen der Schulter:
- Flexion – Arm über Kopf heben
- Hyper-/Extension – Arm nach hinten anheben
- Innenrotation
- Außenrotation
Bei Flexion und Extension kannst Du meist relativ schnell mit Gewicht arbeiten, wobei bei den Rotationen im End-Range-Bereich mehr Vorsicht geboten ist. Im Folgenden zeigen wir dir vier Übungen, wie Du von Zuhause aus, deine Schulter für dein Calisthenics Training vorbereiten kannst:
Tucked Flexion Lift:
Mit dem “Tucked Flexion Lift” baust Du deine aktive Schulter-Flexion aus, wodurch deine Überkopf-Beweglichkeit steigt und Du in keinen Mobilitätsengpass der Schulter gerätst. Dies ist wichtig, wenn Du Military Press, Handstand, Handstand Pushups, etc. trainierst.
Wie oft und wann solltest du diese Übung machen?
Diese Übung kannst Du gerne in dein Warmup einbauen, sollten Überkopf-Übungen dabei sein. 3×10 Sekunden Hold auf 2-3 Sätze pro Arm sollten für den Anfang genügen.
Extension Lift:
Mit dem Extension Lift baust Du deine aktive Schulter Extension aus. Das ist notwendig, um für eine Balance in der Schulter zu sorgen und den Schulter-Brust-Gürtel zu öffnen. Diese Übung solltest Du machen, wenn Du z.B. Dips in deinem Training hast, um zu verhindern, dass deine Schultern “nach vorne” gezogen werden.
Wie oft und wann solltest du diese Übung machen?
Diese Übung solltest Du 2x pro Woche machen. Gerne nach einem Pushday. 3×10 Sekunden Hold auf 2-3 Sätze. Sollte dir diese Übung zu leicht fallen, dann kannst Du gerne auch etwas Gewicht auf die Stange legen. Auch hier ist zu raten, dass Du erst einmal mit 1,25Kg oder 2,5Kg startest.
Sleepers Stretch:
Diese Übung hilft dir dabei die Innenrotation der Schulter auszubauen und vor allem in der End-Range Kraft aufzubauen, um das Verletzungsrisiko zu minimieren, solltest Du bei einer Übung ungewollt zu stark in eine Innenrotation fallen.
Wie oft und wann solltest du diese Übung machen?
Den Sleepers Stretch solltest Du 1-2x in der Woche machen. Wir empfehlen dir, 5 Sekunden aktiv in die Range zu gehen, 5 Sekunden gegen den Widerstand zu drücken und das 3-4x zu wiederholen. Insgesamt solltest Du davon 2-3 Sätze absolvieren.
External Rotation Lift:
Mit den External Rotation Lifts werden die Außenrotatoren deiner Schulter gestärkt. Die Übung hilft dir dabei, eine ausgeglichene Schulter zu bekommen. Zudem hilft sie dir bei Push und Pull Bewegungen die Außenrotation der Schulter zu forcieren.
Wie oft und wann solltest du diese Übung machen?
Diese Übung solltest Du 2x pro Woche machen. Hier wären 3×10 Sekunden Hold auf 3 Sätze sinnvoll.
Du wirst feststellen, dass diese Art des Trainings durchaus anstrengend sein kann, sich aber definitiv auszahlen wird. Für alle Übungen gilt, mit soviel Kraft wie möglich zu arbeiten, solange du keinen Schmerz spürst. Es soll und darf auch anstrengend sein, da Du dadurch deine Muskulatur in bestimmten Bereichen stärken willst.
Es gilt natürlich wie immer – schmerzfrei bleiben.
Dein Thilo